INTERVIEW IN DER MITTELBAYERISCHEN ZEITUNG

Foto & Quelle: Mittelbayerische


Mama, ich will Unternehmer werden“ – „Warum sitzt du dann noch hier?“

Auf Phuc Huynhs Visitenkarte könnte vieles stehen – nur nicht Angestellter. Sein kleines Imperium ist schwer zu durchschauen; aber eigentlich sind all seine „Projekte“ nur das Produkt seiner Konsequenz. Phuc Huynh ist Unternehmer. Neben der Webhosting-Firma Huynh Communications, die fünf Mitarbeiter zählt, leitet er drei Gastronomien – das Nam, das Nam – Take away, ein Burger- und-Curry-Laden im Gewerbepark, und seit Sommer 2014 das italienische Restaurant Il Baretto. Dazu ist er noch Geschäftsführer der Marketingagentur Kokuuna. Außerdem ist er Kunst-Mäzen, Dozent, Mikrokredit-Geber, Regensburger, Strippenzieher etc.

Auch wenn er 50- bis 60-Stunden-Wochen abreißt, behauptet er: „Das ist ja keine Arbeit.“ Dafür macht das alles zu viel Spaß. Er sagt, er wollte schon als Kind Unternehmer werden. Seine Mutter habe nur entgegnet: „Warum sitzt du dann noch hier?“ So sei er erzogen worden.

Zu seinem ersten Neuanfang wurde er als Kleinkind gezwungen. „Wir waren eine der reichsten Familien im Süden Vietnams.“ Dann verschoben sich Ende der Siebziger die Machtverhältnisse im Land, als die neue kommunistische Regierung die Ländereien der Familie übernahm und Phucs Großvater am Straßenrand erschossen wurde. Er weigerte sich, eine Brücke zu sprengen, die die Bauern auf seinem Grund von der Außenwelt abgeschnitten hätten. Unterstützer der früheren Republik wurden in der Folge in „Umerziehungslager“ gesteckt. Millionen Menschen wurden kaserniert, Tausende wurden gefoltert, vergewaltigt oder schufteten sich als Sklaven zu Tode – auch Phucs Vater Huynh Phong landete im Lager. „Lieber tot, als hier zu leben“ – sagte sich Phucs Vater.

Mehr als eine Million Vietnamesen floh in den Kriegswirren – sie gingen als „Boatpeople“ in die Geschichte ein: Menschen, die sich in marode Boote quetschten und in den Wogen des Südchinesischen Meeres ihr Leben riskierten. Fast 250000 Boatpeople ertranken. Schon beim Versuch riskierten viele ihr Leben: Wer flüchtete, auf den wurde geschossen. Phucs Vater überlebte, die Soldaten trafen dreimal nur sein Hemd. Die Familie wagte die Überfahrt Richtung Singapur. Nach einem Überfall thailändischer Piraten auf hoher See, die ihnen noch die Klamotten raubten, „war der absolute Tiefpunkt“ erreicht.

Die „Cap Anamur“, der Frachter einer deutschen Hilfsorganisation, rettet Phucs Familie aus dem Meer. So gelangten sie nach Deutschland. „Wir wollten nach Amerika und landeten im Allgäu. So viel zum Plan.“ Zunächst kam die Familie nach Rieden, später in die Vertriebenengemeinde Neugablonz bei Kaufbeuren. Ausländerfeindlichkeit gab es dort praktisch nicht, sagt Phuc. Die Neugierde der Bewohner habe überwogen. „Wir waren voll integriert.“ Sein Vater verdingte sich als Schweißer, seine Mutter als Putzfrau, abends bastelte die fünfköpfige Familie Modeschmuck vor dem Fernseher.

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